Und auf einmal war er da – Simple – ganz einfach
low angle view of spiral staircase against black background

Als Jonas das erste Mal etwas Blaues an ihm vorbeifliegen sah, dachte er sich gar nichts dazu. Es war, als wäre ein Windstoß an ihm vorbei gegangen und er wunderte sich auch nicht darüber, wieso auf einmal bei strahlendem Sonnenschein, Wind da war.

Er ging völlig in Gedanken versunken langsam zur Schule. Heute fing die Schule etwas später an, er wusste nicht warum, aber so fuhr ihn seine Mutter nicht in die Schule, sondern er nahm den Bus und ging den Rest zur Schule durch den Park allein. Das konnte er schon. Er mochte es sogar lieber. Es war für ihn ok, so ohne Begleitung.

Als er das Schulgebäude sah, seufzte er. Er mochte die Schule. Wirklich. Doch. Etwas Bauchschmerzen hatte er auch. Es war schon ok. Er wusste es auch nicht so genau. Nun ja, so war das halt. Er stellte sich vor, er sei ein Ninja, hatte seinen Ninja Anzug an, nur seine Augen waren zu sehen. Er war extrem schnell, wendig, schlau und allen anderen immer einen Schritt oder einen Sprung voraus. Sein Anzug war rot – alle konnten ihn sehen. Und er stand stolz auf dem Schulhof, die Kinder um ihn herum. Sie waren begeistert.

Warum lächelst Du?

Jonas war völlig allein auf dem Weg. Er schaute sich um.

Hinter dir

Er drehte sich um, schaute nochmal. Da grinste ihn ein kleines blaues Etwas an. Ein Mischung aus Bär, Hase und ganz blau. Es war etwa so groß, wie fünf Legomännchen übereinander gestapelt. Vielleicht sechs, aber nicht größer. Jonas war sprachlos. Zu seinen Ninja Geschichten hatte er sich eigentlich nicht so ein kleines – ja, welchen Namen fiel ihm ein – „Etwas“ ausgedacht.

Na, warum lächelst Du?

Ich weiß nicht, stotterte Jonas. Hab´an was Schönes gedacht.

Ich mag Ninjas auch, sagte das Etwas.

Woher weißt Du, dass ich an Ninjas gedacht habe?

Weiß nich, weiß ich halt. Dein Anzug ist ganz schön rot, warum hast du nicht auch etwas gold? Ich mag gold sehr! Alles strahlt dann, es ist wie die Sonne.

Gold kann auch blenden, das hatte Jonas mal im Fernsehen gehört. Kann gold wirklich blenden? Er musste das mal überdenken.

Was machst Du hier? fragte Jonas, ihm fiel nichts anderes ein.

Ich gehe mit dir

Warum?

Ich dachte, du könntest etwas Begleitung brauchen

Jonas guckte. Er wusste nicht recht, etwas damit anzufangen. Er ging einfach weiter, er wollte auch nicht zu spät kommen.

Entschuldige bitte, ich muss zur Schule, sonst komme ich zu spät und das möchte ich nicht.

Ich weiß, ich komme auch mit. Wollte dieses Männchen mitkommen mit ihm? In seine Schule? Wie sollte das gehen?

Du hast keinen Tisch und wenn du einen hättest, wäre er zu groß. Sie sind dort nicht eingerichtet auf Schüler deiner Größe.

Ich weiß, das macht aber nichts. Ich bin das schon gewohnt. Die meisten sehen mich sowieso nicht.

Wieso sehen sie dich nicht?

Nun, ich hatte schon überlegt, ob es daran liegt, dass ich blau bin und kein gold habe.

Jonas hatte das Gefühl, dass sich dieses kleine Ding über ihn lustig machte.

Entschuldige bitte Jonas. Nein, ich bin nicht sichtbar, darum falle ich nicht so auf.

Also das war nun wirklich zu merkwürdig. Jonas dachte, die Geschichten aus seinen Büchern spielen in seinem Kopf verrückt. Ist es das, was Mama immer sagte: Schau nicht so viel fernsehen, die Geschichten gehen dann durcheinander? Vielleicht war das nun wirklich passiert?

Sag mal, bist du jetzt echt oder denke ich mir dich aus?
Na, jetzt mach aber mal halblang. Ich bin doch nicht ausgedacht. Ausgedacht, ha, da muss ich ja lachen. Bist du ausgedacht? Oder bist du ein echter Junge?

Ich bin natürlich echt.

Beweise es! Ja, wie sollte Jonas das beweisen.

Es ist einfach so, ich bin ein echter Junge und kleine blaue Etwasse, die man nicht sehen kann, gibt es nicht, also bist du vielleicht ausgedacht. Jonas war wirklich nun etwas ratlos. So war das doch, oder?

Ich heiße Simple – wie einfach – kannst mich Simple nennen.

Jonas schaute den kleinen Simple an, wie er da so blau leuchtend vor ihm stand. Eine Mischung aus Hase und Bär. Richtig cool sah er nicht aus, aber auch irgendwie nett.

Wie machst Du das, dass Du mit in meine Schule kommst? Nun sah der kleine Simple etwas ratlos nach oben zu Jonas.

Wie mache ich das? Ich gehe. So wie du? Siehst Du? Und er tänzelte vor Jonas her, so dass dieser einen Eindruck davon bekam, wie Simple ging.

Ich meine, du warst ja noch nicht in meiner Schule. Wieso kommst du jetzt?

Na, dass dieser kleine Junge so lange brauchte um zu begreifen, hatte Simple nun doch nicht gedacht. Da musste man ja mit seinen Erklärungen ganz von vorne anfangen.

Also, ich komme mit, einfach so. Und heute, weil heute Dienstag ist und dies schien mir ein guter Tag zu sein, dich zu begleiten.

Und warum mich? Diese Frage hörte Simple schon nicht mehr, denn er schritt voran, so schnell wie ein blaues Etwas seiner Größe das so tun konnte.

Jonas ging weiter. Alles sehr merkwürdig. Schweigend kam er an der Schule an, ging zu seinem Klassenraum, hing seine Jacke auf, wusch die Hände und setzte sich an seinen Platz.

Wann geht’s denn hier los?

Hey, was machst du hier?

„Mit wem sprichst Du?“ fragte sein Freund Matt, der sich gerade neben ihn setzte. „Nur so vor mich hin“.

Da kam auch schon ihre Mathelehrerin herein, sie holten ihre Mathehefte heraus und begannen gemeinsam Aufgaben zu rechnen. Jonas sah Simple auf seinem Pult sitzen und der Lehrerin zuhören. Er versuchet ihn nicht zu sehen, um nicht abgelenkt zu werden. Doch er musste immer wieder zu ihm hinschauen. Er sah wirklich lustig aus. Und er schien sehr interessiert zuzuhören. Die anderen in seiner Klasse sahen ihn wahrscheinlich wirklich nicht, jedenfalls sagte niemand etwas. Auch seine Lehrerin nicht.

Nach der Stunde kam die Pause, dann noch zwei Stunden und Jonas hatte wieder frei. Seine Mutter holte ihn mit dem Auto ab und sie fuhren nach Hause. Er hatte Simple nach der Pause nicht mehr gesehen. Seine Mutter fragte ihn, ob er einen schönen Tag gehabt hat, was er gemacht hat, ob er gut aufgepasst hatte, mit den anderen gespielt usw.

Doch die einzig wichtige Frage stellte sie nicht: Wo war Simple geblieben? Und: War er wirklich da gewesen?

Sie kamen zuhause an und Jonas ging in sein Zimmer. Auf seinem Schreibtisch saß Simple.

Hey, wo warst du?

In deiner Tasche. War mir zu anstrengend in der Schule. Ich möchte jetzt lieber spielen.

Sag mal, wie ist es denn eigentlich, nicht sichtbar zu sein?

Simple sah ihn lange an: Na, das weißt du doch.

Fortsetzung folgt…